Von unserem Envoyé Special Retep Relhom aus Landsvinda’s Village
Der Virus der Fachsprache verheert unsere Sprache und Sinne. Seitdem aus „der Virus“ das medizinisch fachsprachliche Virus wurde, stieg seine Gefährlichkeit ins Unermessliche. Eine weitere Steigerung gelang durch das unverdächtige Beiwort „mutierend“, ohne dass Mutanten durch die Filter einer guten Maske durchdringen können.
Und, wie viele Stunden haben wir in den letzten Monaten mit der Frage verbracht, was ein „Hausstand“ denn eigentlich sei, wenn wir uns auf der Straße oder zu Hause mit jemand treffen wollten. Ganz ohne karnevalistische Hintergedanken haben Jürgen Hoffmeyer-Zlotnik und Uwe Warner das mal im internationalen Vergleich aufgedröselt.* Danach zählt zum Beispiel in Italien jeder, der mindesten einmal in der Woche die Füße zum Essen unter den Tisch stellt zu einem Hausstand. Übrigens, Hausstand ist ein Fachbegriff aus der Rechtssprache und könnte grob als „privater Haushalt“ übersetzt werden. Das abschließende Wort zur Definition eines Haushaltes gaben Retep Relhom und Nelletheb Llennepp in ihrem grandiosen Beitrag „The REC-Survey “Remember the Households You Lived In” Question: A Research Note“.** Kurz, es ist eine lange Geschichte, was ein Hausstand eigentlich ist, und falls ein Ordnungshüter Ihnen zu nahe kommt mit der Drohung „Hausstand überschritten“, hauen Sie ihm das JOBS Journal auf die Beamtenfinger (s.u.). Oder Sie fragen sie harmlos nach einer verbindlichen Definition (bitte suchen Sie nicht in der rheinland-pfälzischen Corona Verordnung, da finden Sie nichts dazu).
Das eigentliche Übel des Virus Fachsprache im Alltag ist der damit verbundene Machtanspruch. Man wirft ein Wort aus einem ausreichend definierten fachsprachlichen Umfeld in den Alltag zu dem alleinigen Zweck, ab sofort die Deutungshoheit zu übernehmen. Wer den „Fachbegriff“ verwendet, wird schon wissen, wovon sie redet, auch wenn er keinen Dunst von der Unschärfe dessen Verwendung in der „Fachwelt“ hat. Hauptsache, man erscheint kompetent.
Lassen Sie sich nicht entmutigen. Fragen Sie halt mal, was der Unterschied von „der Virus“ und „das Virus“ sei oder ob die Haushälterin zum Haushalt gehöre, oder das im Parlament etwas ganz anderes bedeute. Nur Mut, nichts ist leichter als Fachsprachlerinnen durch einfache Fragen auf den Boden des Lebens zu holen.
*Hoffmeyer-Zlotnik, J. H. P., & Warner, U. (2008). Private household concepts and their operationalisation in nationaland international social surveys. (GESIS-Forschungsberichte – Reihe Survey Methodology, 1). Mannheim: GESIS -Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-262343
** Retep HP Relhom and Nelletheb Llennepp , (2005), The REC-Survey “Remember the Households You Lived In” Question: A Research Note, in: Journal of Obnoxious Statistics (JOBS), p. 35-36
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