Wilder Südwesten

Monat: Juli 2021

Möchtegerndiktatoren*

Aus der Pfalz kommt nur Gutes. Zum Beispiel Ketchup à la Heinz. Gelegentlich gibt es auch Ausreißer. Der neueste Heinz gehört dazu. Er reiht sich schamlos in die Riege der vielen Möchtegerndiktatoren* aus Wissenschaft und Medien ein. Hervorgetan hat er sich durch interessante Vorstellungen über grundgesetzliche Freiheiten (und das in der Pfalz, einer der Wiegen der deutschen Demokratie). Wobei er selber kein Vorbild hinsichtlich des Aufbaus von Teststationen in der Pfalz ist. Haben Sie in diesem Zusammenhang schon mal gezählt, wie oft Wissenschaftlerinnen und Medienschreiber das Wort „müssen“, immer auf andere bezogen, verwenden?
Ich finde das schon krankhaft, dieses anderen Vorschreiben zu wollen, was sie tun und lassen sollen. Zugleich scheuen Wissenschaftler und Schreiber das harte Brot der Politik, wo man um Zustimmung wirbt und sie selten genug  bekommt, weil andere auch gute Ideen haben. Gut so. Wo kämen wir hin, wenn sich meine beschränkte Weltsicht durchsetzen sollte? In die Klinik wahrscheinlich. Vielleicht sollte sich der neue Heinz mal dorthin zurückziehen. Bedauerlicherweise, so sehe ich das, ist er ein medizinisch hoffnungsloser Fall. Ein palliativer Undemokrat. Punkt.

Philipp Frankfurter
* unser neuer Heinz: https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-aktuell-reisen-impfen-1.5342284

Das 60 Millionen Casting

Was meinen Sie, darf man Stellenbewerber auf Fachkunde, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit usw. durchleuchten? Wenn nein, haben Sie vergessen, wie das  mit den Fachidioten, den Psychopathen in Führungsetagen, den diebischen Elstern im Verkauf oft genug schief ging und weiterhin geht? Ich zumindest wurde immer scharf ausgeleuchtet, streng beäugt und auf Herz und Nieren geprüft, wenn ich mich mal zu bewerben traute.
Tolle Vorstellungen, was man auf einer Stelle alles machen kann, haben viele, doch, selten genug, passen nur wenige als Person auf einen Posten, sei es im Reinigungsdienst oder in einer Machtzentrale.
Und da wären wir beim Thema, wie Sie wahrscheinlich schon bemerkt haben. Drei bewerben sich um den Job in Deutschlands Machtzentrale genannt Bundesregierung . Ob es einer davon wird, dazu hat die Jury, genannt Wahlvolk, das Entscheidende zu sagen, obwohl der eine oder die andere Bewerberin, das nicht wahrhaben mag.
Also, lost geht’s:  Man reibt sich die Augen und will es gar nicht glauben, mitten in einem Deltaausbruch findet das größte öffentliche Casting in Deutschland statt. Deutschland sucht, ja was denn? Geraten? Ja! Den Super Star der Politik: wer wird Kanzler der Republik? Die Jury ist multi-multi besetzt: 60.000.000 Sie und ichs, ja wir, das Wahlvolk sind die Jury. Die ersten Re-calls sind durch, viele haben es nicht in die Endrunde geschafft. Aber sie sind alle noch jung und werden sicher beim nächsten Mal wieder dabei sein.
Die Kandidaten treten jetzt für die Endrunde auf die Bühne, im Seitengang schielt deren Clan ängstlich auf den Auftritt. Künstlicher Jubel braust auf, bezahlte, bestellte und ungebetene Claque kreischen, Marktschreier preisen die Kandidaten an. Bezahlte oder überzeugte Buher pfeifen dagegen. Es ist ein tolles Spektakel.
Leider ist die Jury, wir, das Wahlvolk, hellwach und unbestechlich, zumindest die große Mehrheit, und auf die kommt es schließlich an. Schärfer als Bohlen in seinen besten Tagen durchleuchtet sie die Kandidaten. Jeder falsche Halbton wird registriert. Wer an unser Geld will, fällt durch. Wer im Strafraum die Schwalbe macht, bekommt die gelbe Karte. Wer zuerst zuckt, hat verloren. Die sogenannten Programme, also die Beruhigungspillen für die eigene Truppe, interessieren diese Jury nicht. Du, der oder die Du vor uns stehst, wer bist Du? Können wir Dir trauen? Wirst Du uns verraten? Hast Du früher Deine Freunde verkauft? Wie oft den Partner der Karriere wegen gewechselt? Schon mal gescheitert und wieder aufgestanden? Bist Du ein Mensch oder eine Marionette?
Wir, das Wahlvolk, verschwören uns nicht gegen Dich. Wir sehen Dich, wir hören Dich, wir sprechen untereinander über Dich, aber wir verschwören uns nicht gegen Dich. Wir haben keine Hinterzimmer, so wie Du. Wir bilden keine Intrigantenklüngel, um Dich abzusägen. Das gehört möglicherweise zu Deinem Alltag, aber nicht zu uns. Wir sind unbestechlich, meistens.
Deshalb beschwere Dich nicht, wenn wir jeden Stein umdrehen, wenn wir mehr von Dir wissen wollen, als von einer Stellenbewerberin im Reinigungsfach. Du hast es in der größten Castinghow des Landes in die Endrunde gebracht. Jetzt mußt Du zeigen,  was Du kannst und wer Du bist!

Philipp Frankfurter

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