Wilder Südwesten

Schlagwort: Freude

Manipulation

Und wieder laufen, hin und her, versuchen zu Ihr durchzukommen. Der Weg ist versperrt, der nicht begehbar, mühsam, keuchend durchs Watt sich vorkämpfen, irgendwann verzweifelt an einer Hotelrezeption nur noch um ein Zimmer für die Nacht bettelnd, da, von der Seite, ein strahlendes Lächeln, ich bin da, habe Dich die ganze Zeit gesehen.
Jähes Aufwachen aus dem Traum. Was hätten Sie gefühlt?
Unbändige Freude, dass es doch geklappt hat? Doch das Ziel erreicht!
Nicht bei mir, der letzte Teil des Traumes war wütend, zornig und beziehungsbeendend. Es gibt Spiele, die ich nie gespielt habe, bei denen ich nicht mitgemacht habe und nicht einbezogen werden will.
Einen bewusst zu hintergehen, mit der Verzweiflung der anderen spielen, abgehoben sich fast allwissend geben, nicht meine Sache. War ein übler Traum. Er kam aus dem Nichts. Einfach so, oder auch nicht? Wo gab es in letzter Zeit solche bewusste Manipulation?
Wie wäre es mal sich zu erinnern. Zum Beispiel an die Stellungnahme der Leopoldina zu Corona, wo Masken als untauglich bezeichnet wurden. Unterschrift: die allwissende Kollegenschaft. Manipulation? Ja, wenn man die alten Datenblätter der Berufsgenossenschaften kennt, die eindeutigen Schutz vor Viren durch geeignete Masken im beruflichen Alltag schon lange vor Corona festgestellt haben.
Oder, an die noch maskenlosen Hygienemaßnahmen zu dauernden Händedesinfektion. Nichts gegen saubere Hände, aber gegen Aerosole helfen die garantiert nicht, nur Drosten traute sich (damals) noch dies leise zu erwähnen.
Oder an die endlosen Versprechungen zur Freiheit, eine nach der anderen wegvergessen. Nachfragen irrelevant.
Oder, die Impfpflicht mit Hinweis auf die AfD abzulehnen (weil die es will) oder, oder, oder.
Corona ist vorbei. Wir sind wieder frei, so der Traum.
Was wird sein, wenn alle aus dem Traum erwachen, was werden sie fühlen? Unbändige Freude oder unbändige Wut?

Philipp Frankfurter

Von Flickenteppichen und Jo-Jo-Effekten

Ich sage das, was alle sagen: Es ist schon ein Leid mit den Corona-Beschlüssen. Über Stufenpläne, die schon seit einem Jahr vorliegen könnten, wird neun Stunden debattiert. Die Kanzlerin sagt, man müsse wohl allmählich über langfristige Strategien im Schulbereich nachdenken (was sonst?!), und ach Gott: die Schnelltests dauern natürlich noch schnelle vier Wochen. Darum aber geht’s mir gar nicht, sondern: Im Zuge der Generalkritik von allen an allem finden sich auch immer die gleichen Begriffe, die ich mir ein weniger genauer anschauen will. Besonders prominent vertreten sind der „Flickenteppich“ und der „Jo-Jo-Effekt“.
Zum Ersten: Ein Flickenteppich ist wohl ein Teppich, der aus vielen kleinen Stücken zusammengeflickt ist. Das ist erst einmal nicht schlimm, denn alte Einzelstücke von Restteppichen zu verwerten ist doch voll nachhaltig, oder? Dennoch beschwert sich jeder und vor allem, warnt mit erhobenem Zeigefinger vor einem „Flickenteppich“ aus unterschiedlichen Verordnungen quer durch die Bundesrepublik. Und das wird dann garniert mit dem dringenden Appell an alle, doch bitte einheitliche Lösungen zu suchen. Das klingt doch klasse, wer will da widersprechen?!
Zum Zweiten: Der Jo-Jo-Effekt ist ein Begriff, den ich selber ganz gut kenne. Denn wer wie ich einen – wie wir Pfälzer sagen – stattlichen Ranzen durch die Gegend trägt, hat ihn sicherlich schon erlebt, den Jo-Jo-Effekt, also dass das Gewonnene (also hier: weniger Gewicht) wieder verschwindet und es sogar noch schlimmer wird (man wiegt mehr als vorher; bei mir: acht Wochen USA-Urlaub, schon war’s geschehen…).
Nun stört mich an dieser Redeweise folgendes: Wäre ein Jo-Jo-Effekt, würde er tatsächlich eintreten, denn so schlimm? Genau wie beim Gewicht hieße das doch immerhin, dass die Lage mal vorher deutlich besser gewesen war. Oder soll ich lieber dauerhaft meinen Ranzen behalten anstatt wenigstens zu versuchen, ihn etwas zu verkleinern, auch wenn immer die Gefahr besteht, dass er zurückkommt? Übersetzt hieße das: Hätten wir zwischendurch wenigstens versucht, Schulen und Kitas und anderes zu öffnen (stufenweise, regional unterschiedlich), hätten viele Kinder wieder ein Stück Alltag gehabt. Und es wäre ihnen besser ergangen, Spanien und Italien haben es vorgemacht, aber bitte: von anderen lernen, das geht zu weit. Der Flickenteppich derweil wird deshalb ins Feld geführt, weil es impliziert, es gäbe nahezu überall unterschiedliche Regeln. Das ist richtig, und die Frage ist auch hier: Ist das so schlimm? Oder ist es nicht mehr als angebracht, in unterschiedlichen Regionen (oder Landkreisen z.B.) je nach Ausbreitung des Virus unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen? Kann ich dem Kollegen aus Pirmasens guten Gewissens den Cafébesuch abschlagen, weil wir in Germersheim gerade durch die Decke gehen?
Hier kommen typische deutsche Angewohnheiten zusammen: Die Angst vor allzu schneller Veränderung  führt zu übervorsichtigen Minischritten, die aber in einer Pandemiesituation nix bringen. Und dazu kommt die Sehnsucht nach Einheit, nach bundesweit „klaren“ Regeln, was auch immer die heißen mögen (warum nicht weltweit?). Da muss ich doch den flammenden Föderalisten heraushängen und sagen: Nix da, ich bin froh, dass in Rheinland-Pfalz Regeln gelten, die eine Landesregierung aufstellt, die zumindest in etwa weiß, wie es bei uns aussieht. Merkel et al. wissen das sicher nicht. Aber so ein Schwenk ins Autoritäre hat natürlich was: Man kann die Augen zumachen und hoffen, alles werde gut. Statt hoffen könnte ich auch sagen „glauben“. Wie beim lieben Herrgott, friss hier auf Erden genug Dreck und sei ruhig, im Paradies wirst du dafür belohnt.
Wir leben aber hier und jetzt – das sollte auch ganz schön sein, oder?! 
David Emling

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