Wilder Südwesten

Kategorie: Literaten Welt (Seite 2 von 2)

Weil ich’s nicht kann, schreibe ich

Irgendwo in einer meiner Schatztruhen liegt das amtliche Dokument meines Nichtschreibenkönnens. Mohler, setzen sechs, teilt der hauptamtliche Deutschlehrer mit. Danach ging’s bergauf zur Fünf und im Endspurt eine Vier als Gnadenbeweis. Ganz offensichtlich war das ein Akt der Befreiung für mich, denn schlimmer konnte es nicht mehr werden, dachte ich und schrieb munter ohne weitere Folgen vor mich hin.
Und es kam schlimmer. Nein, nicht wegen meiner Unentschiedenheit zwischen dem Recht und der Schreibung, sondern wegen meiner unschuldigen Annahme, linke Soziologen mögen keinen Blocksatz (das war noch vor der Zeit des Blogsatzes). Deshalb schrieb ich meinen Habilitationsvortrag mühsam mit der Hand, obwohl ich mit der Schreibmaschine und Zehnfingersystem viel flotter war. Weil aber Soziologen, die sich links dünkten, nur das äußerst mühsame Zweifingergeierhacksystem intus hatten (plus jede Menge Kraut), dachte die versammelte Fakultät, ich nähme sie mit meinem handschriftlichen Manuskript nicht ernst. Mit ernsten Folgen, denn ich musste noch mal ran.
Was lernte ich daraus? Die Leser und Zuhörer verstehen viel öfter als ich mag genau das Gegenteil von dem, was ich sagen will. Das wiederum beweist die Klugheit des hauptamtlichen Deutschlehrers. Kurz: ich kann’s nicht, deshalb schreibe ich.
Peter Mohler

Lasst uns erzählen!

Erzählt wird hier ohne Ende. In loser Reihenfolge werden Autoren und Literaten zu Wort kommen, die ihre ganz eigene Vorstellung davon haben, was Schreiben heute bedeutet, leisten kann, sein muss und, ja, sein darf.

Marcel  Reich-Ranicki sagte mal im  „Literarischen Quartett“, Autoren müssten nicht zwangsläufig über große gesellschaftliche Ereignisse schreiben (es ging um „Ein weites Feld“ von Günter Grass, Thema ist unter anderem die Wiedervereinigung). Sie sollten aber dringlich über ihre Erlebnisse schreiben, das, was sie im Innersten bewege. Alleine durch diese Schilderungen tröpfeln stückchenweise auch wesentliche Informationen über die jeweilige Epoche  durch. Wenn das klappt, ist ein Text gelungen.

Genau darum geht es hier. Auf tausend verschiedene Arten, subtil und knackig-kurz in einer Kurzgeschichte, ausformuliert, gar episch und durch die Brille vieler Akteure in einem Roman, nur angedeutet, symbolisch, geheimnisvoll, oder mit der ganz besonderen Sprache der Lyrik. Alles mit der Absicht, dem Leser etwas zu erzählen. Es gibt nämlich so etwas wie eine Übereinkunft zwischen Leser und Autor, die am Beginn eines Buches steht, und das ist der Vertrauensvorschuss des Lesers, sich nun auf das einzulassen, was der Autor erzählen will.

Enttäuschen wir die Leser also nicht. Beginnen wir zu erzählen.

David Emling

Neuere Beiträge »

© 2024 Blog4587

Theme von Anders NorénHoch ↑