„Was heißt Soldatin auf Ukrainisch? Verzweifelt, aber entschlossen: Auch Frauen melden sich zu den Streitkräften, um gegen die russische Aggression zu kämpfen, viele davon sind jung und gebildet. …“* Stop! Halt! Nicht weiterlesen! Mach ich auch nicht! Aber was ist los? Das Beiwort ist los. Goethe, der Meister desselben, dreht sich im Grab herum. Wie denn? Was denn? Nichts Sexistisches kann ich sehen? Na ja, aber abgrundtiefe Doofheit. Erklär mal, gib mal den Oberlehrer. Schau Dir mal die Sache mit „jung“ und „gebildet“ an. Diese Beiwörter sollen, ja was, ausdrücken? Na, ist doch erstaunlich, wenn sich junge gebildete Frauen zum Kriegsdienst melden. Aha, wenn sie alt und ungebildet wären, dann wäre das wohl nicht erstaunlich? Welcher gebildete Mensch, geschweige denn ein weiblicher, geht freiwillig in den Krieg? Aha, da kriecht ein kleines Vorurteil aus dem Beiwort, oder? Heimatverteidigung ist nur was für Ungebildete, oder so oder? Nein, nö, ach so. Ach ja. Und sollen die Omas in den Krieg ziehen oder was? Ich sag‘ Dir was: eine Hölle von Vorurteilen über Krieg, Frauen und das Leben versteckt sich in solchen kleinen hässlichen Beiwörtern. Scheiße! Sag ich doch.
*Gerhard Gnauck in FAZ-net vom 24.5.2022
Schlagwort: Frauen
Ochsenglubschaugen
Vielleicht kennst Du das, Deine Freundin kuschelt sich in der Öffentlichkeit an Dich. Was machst Du dann? Zurückkuscheln? Also ich, und das was ich so in meinem Umfeld an männlicher Reaktion sehe, mache eine versteifte Wirbelsäule und stieren Blick nach vorne, eben Ochsenglubschaugen. Warum wenden wir uns ihr nicht zu? Gilt Zärtlichkeit als unmännlich? Was soll die Kälte? Was ist peinlich daran, geliebt zu werden und zurückzulieben? Mist, wie oft habe ich versäumt, das Kuscheln zu genießen und jetzt ist es vorbei. Was mir bleibt ist die Trauer, wenn ich wieder mal einen mit Ochsenglubschaugen und dran hängender Frau sehe.
Nummer Zwei
Hello Blues, hello good old times. Ist es ein Frevel, die Nummer Eins sein zu wollen? Ruf mich an, wenn Du magst oder lass es. Bitte mich um etwas, wenn Du es willst, ohne Bitte gibt es nichts. Siehst Du, es geht doch! Ist das nicht eine wunderbare Erfahrung, angerufen zu werden? Sind die Wörter ‚kannst Du bitte‘ ein Balsam auf Deine Seele oder was willst Du? Ah, die Nummer Eins ganz alleine sein. Aha. Man möge sich auf mich konzentrieren und mich alleine, also mich, mich, mich, mich, mich. Pass auf, gleich kommt das Alter Ego wieder um die Ecke, ganz ohne Furcht und pinkelt mich an, dieser Sauertopf. Greif ich mal in meine Körpererinnerungen. Reichlicher Vorrat an Nicht-nummer-eins-erinnerungen. Am schlimmsten nicht die Rivalen, sondern der Erzrivale Arbeit, ein gar garstig gieriger Moloch, bevor ich mich an den wage, erst mal einen Salbeirosmarintee. 36 Jahre habe ich mit ihm gelebt und gelitten. Immer, wenn es schön sein sollte, kam der verrückte Hase aus Alice im Wunderland um die Ecke und rief ‚keine Zeit‘. Dafür war ich die unangefochtene Nummer eins, weil keiner sonst den Job wollte. Und jetzt, wo ich weder eine Nummer noch eine Eins bin, bin ich unzufrieden, wo man mich doch bittet? Darauf einen Schluck Salbeirosmarintee. Vielleicht sind das so komische Merkwürdigkeiten wie mein Ochsenglubschaugenblick aus männlicher Peinlichkeit heraus? Pietistische Reste der Antisexualität gegenüber der Frau und mir Mann? Vergiss es, einfach nicht bekämpfen, sondern laut herausschreien, dass es ein mieses Unglück ist, so in sumpfigen Ideen verfangen zu sein, so verblendet, so ungeschickt das Glück zu sehen. Mein Körper schreit nach neuen Erinnerungen. Let’s dance in the Palatinate.
David Emling & Philipp Frankfurter
Auszug aus Respekt oder Keine Arschlöcher Mehr! – 2020 Preprint
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