Wilder Südwesten

Schlagwort: Hitler

Adolf Hitlers letzter Sieg?

Habe ich Ihre Aufmerksamkeit erregt? Gut bleiben Sie dran. Zuerst aber zum kleinen Einmaleins, nein, vielleicht doch eher zum Sport. Das höchste Lob, das ich als Torwart erfuhr, war der Beifall des Gegners für eine gelungene Abwehr. Besseres konnte einem nicht passieren. Hätte mir einer gesagt, ich sollte weniger gut spielen, damit die Gegner nicht applaudieren, hätte ich an dessen Verstand gezweifelt. Da passt auch das kleine Einmaleins hin: sagt einer von der Afd 1+1=2, stimmt das dann oder muss ich das politisch hinterfragen? Oder stimmt mir einer von der AfD zu, wenn ich sage 2+2=4, bin ich dann ein Rechter? Was ist wirklich dran am „falschen Beifall von der falschen Seite“? Oder trifft das nur auf Söder zu?
Nähern wir uns Adolf Hitlers letztem Sieg. Als ich aufwuchs, trauerte man noch über den Verlust der messerscharfen jüdischen Satire, Kritik und Philosophie. Nur aus Büchern konnte man erahnen, welche kulturelle Triebkraft in Deutschland fehlte. Sehr, sehr vereinzelt konnte man die Luzididät dieser Denkschule am Horizont aufleuchten sehen. Stattdessen machte sich der deutsche Besinnungsaufsatz breit. Wie sagte doch der amtlich bestellte Lehrer? „der Schüler ersetzt durch Tiefe, was er an Breite vermissen läßt“. Ja, breit, sehr breit alle möglichen Argumente aufführen, umrühren, zusammenführen und ein abgetropftes, abgestandenes, niemanden beunruhigendes Ergebnis formulieren. Breitstrahler, am besten rosarot, anstelle scharfer Laser.
Eine Gesellschaft, die verlernt hat, mit dem scharfen Laser jüdischer Tradition umzugehen, verbrüht sich am sanften Licht der besinnlichen deutschtümlichen Bräsigkeit und Oberlehrerhaftigkeit.
Adolf Hitler und seine vielen Gefolgsleute haben die deutsche Kultur ihrer jüdischen Tradition beraubt. Die unsäglichen Debatten um  künstlerische Verarbeitungen der allgemeinen Coronitis deuten Hitlers letzten Sieg an. Wollen wir das wirklich hinnehmen? Oder vielleicht doch dann lieber den guten Paraden der Gegner Beifall zollen?
Philipp Frankfurter

Am Vorabend eines 30. Januar

Dreißig Tage vor dem 30. Januar 1933 schrieb die Frankfurter Zeitung in einem Rückblick auf das vorangegangene Jahr 1932: „… so ist im Verlauf des beendeten Jahres tatsächlich eine …. politische Entspannung von großer Bedeutung eingetreten: der gewaltige nationalsozialistische Angriff auf den demokratischen Staat ist abgeschlagen und durch einen mächtigen Gegenangriff aus der Sphäre Papen-Schleicher beantwortet worden… der aber in die Reihen der NSDAP große Verwirrung getragen hat: Millionen von Anhängern sind dieser Partei verloren gegangen… Die Parteien haben erneut gelitten in diesem Jahr, … aber die Demokratie hat nicht weiter gelitten; sie hat während des letzten Jahres geradezu einen Triumph erlebt. … Denn die politische Grundtendenz wird bestimmt durch die Tatsache der Entzauberung der NSDAP.“*
In den folgenden drei Monaten, genauer 83 Tagen, wurde die deutsche Demokratie zerlegt und abgeschafft. Am 4. Januar traf sich Papen mit Hitler, um den amtierenden Kanzler Schleicher zu stürzen. Weitere Gespräche folgten, bis dann Staatspräsident Hindenburg Adolf Hitler am 30. Januar zum Reichskanzler ernannte. Zwei Tage später löste Hindenburg den Reichstag auf. Nach weiteren drei Tagen wurde die Kommunistische Partei per Verordnung verboten, drei Wochen später, nach dem Brand des Reichstages, wurden am 28. Februar die Bürgerrechte abgeschafft. Am 5. März, 35 Tage nach Amtsantritt Hitlers, fanden Neuwahlen statt, die nicht mehr frei waren. 14 Tage später trafen die ersten Gefangenen im KZ Dachau ein (22. März 1933), zwei Tage später wurde die Diktatur mit dem Ermächtigungsgesetz festgeschrieben.
Nach nur 83 Tagen war das Schicksal der deutschen Demokratie besiegelt.
Morgen ist wieder ein 30. Januar. Ein Tag, an dem wir uns an unser eigenes und vergangenes „Schöndenken und Schönreden“ der Gegenwart erinnern sollten und bescheiden werden bezüglich unserer Weisheit, die Welt zu verstehen.
Peter Mohler
* Frankfurter Zeitung, 1. Januar 1933, zitiert nach: Peter Ph. Mohler, Abitur 1917-1971, Frankfurt: Peter Lang, 1978, S. 12f, Hervorhebungen im Original

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