Wie sagt Fischer immer wieder? „Ich bringe dich um“ ist strafrechtlich gesehen, kein Mord. Gleichwohl, es ist eine Formulierung im Indikativ und könnte die Beschreibung eines akutellen Vorganges sein. Könnte. Und selbst wenn, der Richterschaft ist es wurscht, ob die Mörderin die Durchführung ihrer Tat sprachlich begleitet. So gesehen war die Sprache ebenso, wie die Gedanken frei. Aber das war einmal in der guten alten Zeit, so vor 5 Jahren, sagen einige aus der Minderheitsfraktion, die wahrscheinlich die schweigende Mehrheit repräsentieren oder auch nicht, wer weiß das schon.
Es gilt das gesprochene Wort, aha. „Die Rente ist sicher“, ein typischer Speach Act (Sprachhandlung), auf den keine Rentnerin etwas gibt, weil sie ihren Rentenbescheid kennt, denn dort steht die tatsächliche Handlung, die zu einer Banküberweisung führt.
Was geschieht, wenn man eine Sprachhandlung wie, „ich haue Dir Eine runter“ mit einer Ohrfeige etc. gleichsetzt? Dann brennt das Ohr, dann schreie ich vor Schmerz und verlange Schadenersatz.
Wahrscheinlich lacht jetzt jeder über diese, ja was, Absurdität? Wer bei Youtube, Facebook und Genossen wegen solcher Sprachhandlungen abgeschaltet wird, hat da wenig zu lachen.
Alles eine große Dummheit? Oder doch nicht? Ist das, was derzeit so herumspukt, etwa ein Beispiel für den Schaden, den eine unschuldige Theorie der Sprache durch Ignoranten anrichten kann? Eigentlich nicht. Denn Sprache kann gewalttätig sein. Drohungen aller Art wirken. Aber: bitte jetzt mal den Kontext. Wann wirkt eine Drohung? Wann verführt eine falsche Ideologie (gibt’s ja eigentlich nicht, weil alle Ideologie falsch ist, na ja)?
Und jetzt wird es leicht spannend, denn wer bestimmt den Kontext? Die Sprecherin oder der Hörer? Bitte entscheiden Sie!
„Du bist ein so liebes Arschloch“ – Beleidigung wann, wann nicht, wann Bettgeflüster? Wann der Hauch einer Enttäuschung? Herrlich, was man alles für Kontexte für einen Satz finden kann. Eigentlich ein wunderbares Sprachspiel, aber das sind wieder andere Theorien. Bleiben wir beim Speach Act, der oft unbefriedigend bleibt, wenn die damit gemeinte physische Handlung ausfällt. So etwa das amerikanische „let’s do lunch“.
Ein, wie ich mich zu erinnern glaube, jüdischer Satz, „es gibt kein Verbrechen, das nicht zuvor aufgeschrieben wurde“, wirkt schon. Zumindest bei mir.
Also worum geht es hier und heute? Ob wir es wollen oder nicht, hat die Wiedervereinigung auch Folgen für das verändert, was öffentlich aussprechbar ist. Tabus, wie Judenhass, lösten sich auf. Zugleich sprang die amerikanische Angst, harte Fakten auszusprechen, auf uns über. Und dann kam das Netz. Das ist öffentlich – und wie! Wie ein Stammtisch mit Pissoir in einem Raum, kurz, das stinkt.
Und jetzt? Wir sind alle auf der Suche nach Tabus, nach den Grenzen des öffentlich Aussprechbaren. „Scheiße sagt man nicht“ flöten die Enkel strahlend, wohl wissend, wie viel Spaß dieser Satz bringt. Auch wollen wir privates Geplapper und Plaudern vom öffentlich Gesagten sehr genau unterscheiden. Und so wollen wir das alle halten, fröhlich die Grenzen austesten und Youtube etc. einfach links liegen lassen, es hört dort doch niemand zu, auf den wir Wert legen würden, oder?
Peter Mohler
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