Wilder Südwesten

Autor: Philipp Frankfurter (Seite 4 von 4)

Das IT Mysterium des Öffentlichen Dienstes

Corona, versprochen ganz kurz. Wer liest und hört, was Radio, Presse, Fernsehen inzwischen routinemäßig zu den täglichen RKI (der arme Robert) Fallzahlen sich abringen, der braucht über kurz oder lang Bullrich Salz oder gar einen Protonenpumpenhemmer (wer googelt, bei dem macht es gelegentlich Bing).
Lange dachte ich, die tägliche Coronawasserstandsmeldung sagt mir, wie viele Leute heute im Unterschied zu gestern positiv auf Corona getestet wurden – ok, mit dem Problem, der über längere Zeit sich ändernden Zahl der Testungen – aber das sollte von Tag zu Tag keine Rolle spielen. Nein, liebe Leute, das stimmt so nicht, das wäre ja zu einfach. Wie das RKI sagt, berichtet es jeden Tag „Fälle, die dem RKI täglich übermittelt werden. Dies beinhaltet Fälle, die am gleichen Tag oder bereits an früheren Tagen an das Gesundheitsamt gemeldet worden sind“ – macht es jetzt bei Ihnen Bing?
Klartext: Berichtet wird die Zahl der täglich abgegebenen Meldezettel von Gesundheitsämtern, egal, wie lange die auf dem Dienstweg hängen geblieben sind.
Für den einfachen Tagesvergleich taugen solche Zahlen schlicht nicht. Deshalb winden sich die Medien so sehr, wenn sie den täglichen RKI-Wasserstand berichten.
Und damit sind wir beim Thema, dem IT-Mysterium im Öffentlichen Dienst (It ist ein linker Nebenfluss der Wolga. IT ist nicht die Abkürzung für Intelligente Technik, sondern Informationstechnologie, steht aber auch für den Killer-Clown Pennywise bei Stephen King’s „IT“, dem Bösen schlechthin…). Während sich die große weite Welt wie Coca Cola, Wells Fargo, BMW oder Peters Musikzimmer auf etablierte IT-Anbieter verlässt (ORACLE, SAP, Microsoft, AMAZON, SPSS, SAS, WordPress, Strato, Microsoft Office, Open Office u.v.a.m.), hatte der Öffentliche Dienst immer ganz besondere Problemchen, die ein eigenes Progrämmchen dringend notwendig machten und machen. Am besten hausgemacht (selbstgestrickt). Bekanntlich dauert Handarbeit lange, oft fällt eine Masche herunter oder die Hände verkrampfen. Und jeder Handstricker in jedem Öffentlichen Diensthäuschen hat natürlich sein eigenes Muster, das er nur ungern mit anderen Diensthäuschen teilt. Ergebnis: Jahrelang wartet die Polizei auf einen deutschlandweiten abhörsicheren Digitalfunk. Und wir warten heute auf eine vernünftige, handzettelfrei Corona Statistik. Und bitte…fordern Sie nicht lauthals Markus Söder, der kann es genauso wenig.

Philipp Frankfurter

Ehrenamt und Inkompetenzvermutung

Wen die Wähler in ein Amt wählen, dem geben sie auch den Verstand mit. Denkste. Während im gewöhnlichen Leben jeder zeigen muss, dass sie den Job kann, oft sogar noch dafür geprüft wird, reicht beim üblichen politischen Wahlamt, sagen wir Bürgermeister von Dorf bis Millionenmetropole, das richtige Geburtsdatum und das war es dann.
So schauen uns dann mehr oder weniger gestylte Gestalten von den Wahlplakaten an, die versprechen alles, nur nicht ausgebuffte Verwaltungsarbeit. Halt, was soll das mit der „Verwaltungsarbeit“ bedeuten? Noch nicht gewusst: Bürgermeisterinnen und auch Gemeinderäte sind Teil der Verwaltung und was macht die? Genau: „Verwaltungsarbeit“. Dort gilt zum Beispiel der Grundsatz „wer schreibt der bleibt“. Der andere heißt „lesen statt hörensagen“. Wer sich umschaut bzw. öffentlichen Sitzungen von Gemeinden beiwohnt, glaubt oft nicht richtig zu hören, weil praktisch keiner die Vorlagen geschweige denn die notwendigen Gesetzestexte gelesen hat. Erste Vermutung: die Zahl der Analphabeten im Ehrenamt ist gewaltig. Kann das sein? Wer weiß. Sicher ist, keiner verlangt irgendeine Anstrengung von den Amtsträgern, sich in die Materie einzuarbeiten, von Fort- und Weiterbildung darf man gar nicht reden. Das gilt, obwohl die Zahl der Angebote Legion ist. Aber überlaufen sind die garantiert nicht.
Was bleibt, ist der Frust professioneller Verwalter über inkompetente Wahlämtler und die Verzweiflung der Bürger über deren Mittelmäßigkeit. Und jetzt bitte nicht mehr wundern, warum so vieles auf kommunaler Ebene steckenbleibt. Da war doch was mit der Wissensgesellschaft….
Philipp Frankfurter

Institutionen sind nicht resilient

Wo ist die Sowjetunion? Hoechst? Fort und weg und vergessen.  Nicht so die Menschen in der Sowjetunion oder Arbeiter von Hoechst. Sie haben das „Abschalten“ eines Staates oder einer Fabrik überlebt, so wie viele Menschen schwere und schwerste Erlebnisse überleben, weiterleben, sogar vorwärtskommen. Das ist soweit nichts Neues.
Warum erwähne ich das hier und heute? Weil der Lockdown ein Institutionenkiller ersten Grades werden kann, wenn nicht schon ist. Wird es noch mal Martinsumzüge geben? Wird sich nochmal eine Gruppe aufraffen den örtlichen Gesangsverein wiederzubeleben? Findet sich jemand, der die kleine Kneipe übernimmt? Verlieren sich Freundschaften und Bekanntschaften im Coronanirwana?
Und dann die Kultur, das Sparschwein der Politik. Immer wenn man zu viel Geld für Pomp und Unsinn ausgegeben hat, wird an der Kultur gespart. Egal, wie viel Mühe und Kraft es gekostet hat die ganz kleinen, größeren und ganz großen Kulturinstitutionen auf die Beine zu stellen und jahrzehntelang prosperieren zu lassen.
Leute passt auf, das kann ein neuer kultureller Todesreigen werden, nehmt das bitte ernst.
Philipp Frankfurter

Die Grenze im Kopf oder was unterscheidet den Elsässer vom Gälfiesler?

Sagt der eine Freund, ein Kollege sei von seiner Firma 14 Tage nach Hause geschickt worden, obwohl er negativ auf Covid getestet sei. Ok, die Firma ist halt sehr vorsichtig. Warum nicht.
Sagt der andere Freund, bei Ihnen dürften die Elsässer nicht mehr kommen, wenn sie in „systemrelevanten“ Abteilungen arbeiteten. Und wer arbeitet denn dann bei Euch in Karlsruhe? Aja, die Leute aus Durlach, Gaggennau, dem Bahnofsviertel und so weiter.
Frage, was unterscheidet coronamäßig Karlsruhe (Gälfieslerland, wie die Pfälzer sagen) vom Elsass? Glaubt man den Risikowarnungen: nichts. Karlsruhe und Umgebung ist tiefrot, das Elsass auch. Waschen die sich im Elsass nicht die Hände? Tragen die keinen Mundschutz? Gibt es keine Tests? Dürfen die Pendler überhaupt kommen? Ja, die dürfen.
Zur Hölle mit dieser verdammten Grenze im Kopf sagt der linksrheinische zum rechtsrheinischen. Etwas grober gesagt: das ist Fremdenfeindlichkeit 4.0
Philipp Frankfurter

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