Ja, das Unwort des 20. Jahrhunderts hat eine Klause im Öffentlichen Dienst gefunden. Historiker sagen, es sei schon immer dort besonders gerne verwendet worden, vor allem im Militärischen. Die Bürokratie hat so einen Hang zur Sache, dem alles Menschliche fremd ist. Nur ihr sind Bedarfe gängig und Bedürfnisse nur als Anstalt denkbar.
Die beobachtbare Distanz zum Menschlichen erschleicht sich die Vorstellung Menschen als Sachen zu sehen, eben Menschenmaterial. Damit verbunden ist eine Art Einfühllosigkeit, die sich im britischen Ratschlag an frierende Rentner „doch Mützen zu stricken“ oder im deutschen an fröstelnde Gemeinderäte „in Corona-Zeiten Decken zur Sitzung mitzubringen“ zum Gespött macht der zivilisierten Unöffentlichen Dienste, vulgo bürgerliche Gesellschaft.
Insofern steht der Öffentliche Dienst außerhalb oder zumindest neben der bürgerlichen Gesellschaft. Den Bürgerinnen vergeht das Schmunzeln, wenn sie in die Fänge der Bürokratie gelangen. Zur Verteidigung kann man nur anführen, dass die versachlichte nichtmenschliche Sichtweise höchst erfolgreich erscheint und deshalb gerne von großen Organisationen kopiert wird.
Warum? Na ja, wenn man sich mit Sachen beschäftigt, kann man sich Mitgefühl, Fürsorge und Liebe schenken. Es genügt ein Staubtuch und ein Aktenordner. Menschenmaterial braucht keine Führung (was Zuwendung bedeuten könnte). Es genügt Struktur, am besten rechteckige Schuhschachteln, die man beliebig stapeln  kann. Im Land der Schuhschachtler ist Verirren die Regel, besonders, wenn es um Verantwortung geht, da hat Kafka das Wesentliche gesagt.
Und weil es so schön ist, bastelt man immer weiter offizielle Strukturen, informelle Strukturen, strukturiert sich selbst, bis man aktenordnerähnlich wird. Sogar die liebe alte rebellische Korruption wird fein säuberlich multi-strukturell eingefangen.
Warum läuft der Laden trotzdem? Weil nicht alle mitmachen. Was heißt, er könnte viel besser laufen. Genauso rational und versachlicht, ohne Menschen zur Sache zu machen. Nur die Schuhschachteln und die Minimachtpositionen wären in Gefahr. Wären, sind aber nicht, denn die Deutschen und andere sind Schuhschachtelfetischisten ohne Outing, mindestens.

Philipp Frankfurter