Ein Jahr Pandemie, für viele Zeit und Anlass, „zurückzublicken“. (Warum eigentlich nach genau einem Jahr? So wie die berühmten 100 Tage im Amt einer Politikerin. Als ob man in einer so kurzen Zeit wirklich etwas verstehen, gar verändern könnte…). Keine Angst, ich will das hier nicht tun, aber eines dann doch sagen. Die meisten Zusammenfassungen beginnen mit einem vermeintlichen Allgemeinplatz, den ich mir nur ganz kurz genauer anschauen muss (ganz kurz, weil ich schon bald Philip Frankfurter corona-konform beim Italiener treffe und bitten muss, bei uns zu bleiben).

Ein Jahr Pandemie liegt hinter uns, ein Jahr im Ausnahmezustand.

Diese Gleichsetzung beschäftigt mich, denn der Zeitraum „ein Jahr“ und der Begriff „Ausnahmezustand“ wollen einfach nicht zusammengehen in meinem Köpfchen. Und ist nicht genau das auch das Problem an der ganzen Sache?! Dass wir so tun, als wäre das ein kurzer und schlimmer Ausnahmezustand, der bald schon zu Ende geht und danach alles wieder „normal“ ist?! Ich komme mir ja fast wie auf Armin Laschets „Brücke“ ins Nirgendwo vor, die den Lockdown da unten überbrücken soll. Oder noch besser, wie in der SPD, wo viele immer noch meinen, die 16% seien eine Talsohle, die man durchschreiten müsse, aber schon bald wieder zu den alten Zuständen zurückkehre. Wo nehmen die Leute nur diese Annahmen her? Ich glaube ich weiß es: Angst. Angst und Unsicherheit, was stattdessen kommt, wenn das Altbekannte einfach wegbleibt.

Ich glaube eher, dass wir gerade in der neuen Wirklichkeit angekommen sind. Sicher, irgendwann sind wir geimpft, und tatsächlich wird die Lockdownerei (schönes Wort finde ich) ein Ende haben. Aber vieles, was geschehen ist, wird bleiben. Kleine Verletzungen im Privaten, dass man sich mit Familie und Freunden uneinig ist übers Impfen, oder den Gang in den Kindergarten (oder eben nicht), mit wie vielen man den (vielleicht letzten) Geburtstag der Oma feiern kann/sollte/darf/nicht darf. Und natürlich im Großen: Wie sich eine letzte Volkspartei selber zerlegt hat, einen schlechten, sehr schlechten Vorsitzenden wählte, demontierte, wieder mal fast wie in der SPD. Wie wir erlebt haben, dass grundlegende Reflexionsmechanismen in der Politik nicht mehr (oder noch nie?!) da waren: das, was man tut, erklären zu können, Gründe angeben, warum man so handelt wie man handelt. Und noch vieles mehr. Ein Satz, ich kann es kaum glauben, von Jens Spahn, der sicher zutrifft, war: Wir werden uns viel verzeihen müssen. Richtig. Aber dann doch nicht alles Herr Spahn. Schauen wir, was noch kommt, mehr können wir nicht tun. Ich muss jetzt auch, Sie wissen, der Frankfurter…

Nur noch eines: Irgendwann werden wir auch verstehen, dass Frau K-K’s „Freiwilligendienst im Heimatschutz“ nur ein Chiffre für den jämmerlichen Versuch ist, nach rechts Abgewanderte wieder in die CDU zu bringen. Denn die Leute können weder das Eine noch das Andere gescheit. Ciao, und guten Appetit an alle!
David Emling