Habe ich Ihre Aufmerksamkeit erregt? Gut bleiben Sie dran. Zuerst aber zum kleinen Einmaleins, nein, vielleicht doch eher zum Sport. Das höchste Lob, das ich als Torwart erfuhr, war der Beifall des Gegners für eine gelungene Abwehr. Besseres konnte einem nicht passieren. Hätte mir einer gesagt, ich sollte weniger gut spielen, damit die Gegner nicht applaudieren, hätte ich an dessen Verstand gezweifelt. Da passt auch das kleine Einmaleins hin: sagt einer von der Afd 1+1=2, stimmt das dann oder muss ich das politisch hinterfragen? Oder stimmt mir einer von der AfD zu, wenn ich sage 2+2=4, bin ich dann ein Rechter? Was ist wirklich dran am „falschen Beifall von der falschen Seite“? Oder trifft das nur auf Söder zu?
Nähern wir uns Adolf Hitlers letztem Sieg. Als ich aufwuchs, trauerte man noch über den Verlust der messerscharfen jüdischen Satire, Kritik und Philosophie. Nur aus Büchern konnte man erahnen, welche kulturelle Triebkraft in Deutschland fehlte. Sehr, sehr vereinzelt konnte man die Luzididät dieser Denkschule am Horizont aufleuchten sehen. Stattdessen machte sich der deutsche Besinnungsaufsatz breit. Wie sagte doch der amtlich bestellte Lehrer? „der Schüler ersetzt durch Tiefe, was er an Breite vermissen läßt“. Ja, breit, sehr breit alle möglichen Argumente aufführen, umrühren, zusammenführen und ein abgetropftes, abgestandenes, niemanden beunruhigendes Ergebnis formulieren. Breitstrahler, am besten rosarot, anstelle scharfer Laser.
Eine Gesellschaft, die verlernt hat, mit dem scharfen Laser jüdischer Tradition umzugehen, verbrüht sich am sanften Licht der besinnlichen deutschtümlichen Bräsigkeit und Oberlehrerhaftigkeit.
Adolf Hitler und seine vielen Gefolgsleute haben die deutsche Kultur ihrer jüdischen Tradition beraubt. Die unsäglichen Debatten um künstlerische Verarbeitungen der allgemeinen Coronitis deuten Hitlers letzten Sieg an. Wollen wir das wirklich hinnehmen? Oder vielleicht doch dann lieber den guten Paraden der Gegner Beifall zollen?
Philipp Frankfurter
Autor: admin (Seite 2 von 4)
Ausgangssperre! Heißes Thema, auf und ab diskutiert. Eine der besten Darstellungen hat die formidable Sibylle Anderl in der FAZ gegeben.* Ihr Fazit: nichts genaues weiß man nicht, insbesondere weil die Frage nach der Wirkung von Ausgangssperren komplexe, umfangreiche Untersuchungen erforderte, die es eben nicht gibt.
Bevor es ernst wird und wir zu schlechten coronösen Datenlagen kommen, eine kleine Episode aus der Geschichte der Seefahrt, berichtet von Dava Sobel**: Seit ewigen Zeiten konnten Seefahrer den Breitengrad, auf dem sie sich gerade bewegten, mit Hilfe des Sonnenstandes sehr genau bestimmen. Das war zwar sehr hilfreich, jedoch wusste man nicht, wo genau man sich auf dem Breitengrad befand. Hässlich, wenn man bedenkt, dass der Breitengrad am Äquator 40.000km lang ist. Da kann man sich schon mal verlaufen. So geschah es auch mit einer britischen Armada, die nach langer Seereise guten Mutes der Heimat zusteuerte. Allerdings war die Sicht nicht gut, eher schlecht und der Wind stark. Auch wenn der Admiral in seine neues Fernrohr starrte, sah er nur grauen Dunst. Dennoch hielt er munter seinen Kurs. Da meldete sich ein erfahrener Maat mit letztem Mut zu Wort. Er meinte, man steuere geradewegs auf Sandbänke zu, der Untergang drohe. Nun wurde bei so freier Rede damals kurzer Prozess gemacht. Der Maat wurde unverzüglich aufgeknüpft und die stürmische Fahrt fortgesetzt. So wurde ihm das schlimmere Schicksal des elendiglichen Ersaufens erspart, das den Rest der Armada einschließlich Admiral am nächsten Tag traf.
Fehlende Daten, hier die Information, an welchem Punkt des Breitengrades die Armada sei, war die Ursache dieses und vieler anderer Unglücke, bis John Harris im 18. Jahrhundert Uhren konstruierte, die sehr genau gingen. Damit konnte man dann den Abstand zum Ausgangshafen genau berechnen oder anders gesagt, der Längengrad konnte so gut bestimmt werden, wie der Breitengrad. Die Datenlage war bereinigt und fast alles wurde gut.
Nach diesem Ausflug in die Geschichte der Seefahrt wird die Leserschaft sicher bemerkt haben, worauf es hier hinausläuft: auch in der Pandemie fehlen entscheidende Daten. Die Admirale steuern munter auf dem bekannten Breitengrad entlang, ohne zu wissen, wo die nächste Untiefe ist. Da ist Schiffbruch sehr wahrscheinlich.
Der Unterschied zum 18. Jahrhundert ist allerdings, dass es keines John Harris bedarf, um die fehlenden Informationen oder Daten zu beschaffen. Die notwendige Technik ist vor mehr als hundert Jahren erfunden worden und wurde seitdem stetig verbessert. Ihr Name ist „Umfrageforschung“. Gerne in der Politik zur Beliebtheitsmessung herangezogen, dagegen argwöhnisch beäugt, wenn es um wichtige soziale Tatsachen, insbesondere die Wirkung politischer Maßnahmen geht. So gab es zum Beispiel zur Wirkung der Umstellung des Sozialsystems genannt HartzIV, keine umfassende, öffentlich finanzierte Wirkungsforschung. Na ja, mit den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern meinten die Zyniker könne man ja machen, was man wolle. So, aber hier und heute, geht es um uns alle. Ausgangssperre! Und noch viel mehr! Volle Kanne im Blindflug auf die Sandbank!
Deshalb liebe Mitbürgerschaft, schaut Euch doch mal den Daten-Notschrei der empirischen Statistiker an uns alle an: https://www.dagstat.de/fileadmin/dagstat/documents/DAGStat_PI.pdf ***
In einem Satz heißt der Daten-Notschrei: „gute Pandemiedaten braucht jedes Land. Jetzt.“
Schreibt Leserbriefe, sagt es weiter, geht Euren Abgeordneten auf die Nerven, lasst Euch nicht entmutigen und von hochnäsigen Admiralen bedrohen. Dann wird alles gut, fast.
Peter Mohler
*Sibylle Anderl, Abends nur noch drinnen? FAZ-Net, wer Corona satt hat, sollte mal ihr Buch „das Universum und ich“ lesen. Astrophysik kann wirklich Spaß machen.
** Dava Sobel, Longitude, 1995, deutsch: Längengrad- Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste.
*** DAGSTAT ist die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Statistik. Ihr gehören an: Deutsche Statistische Gesellschaft, Internationale Biometrische Gesellschaft – Deutsche Region, Fachgruppe Stochastik der Deutschen Mathematikervereinigung, Gesellschaft für Klassifikation, Verband deutscher Städtestatistiker, Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Verein zur Förderung des schulischen Stochastikunterrichts, Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie, Ökonometrischer Ausschuss des Vereins für Socialpolitik, Fachgruppe Methoden und Evaluation der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Sektion Methoden der Empirischen Sozialforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, European Network for Business and Industrial Statistics – Deutsche Sektion, DESTATIS – Statistisches Bundesamt, Sektion Methoden der Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft.
3 von 22 – also aufgerundet 14 %.
Nein, ich rede nicht von einem potentiellen SPD/FDP-Bundestagswahlergebnis 2021 oder spätestens 2025. Ich rede von einer Testquote. Eine Testquote an einer Schule nicht allzu weit entfernt von mir. Hab ich gestern von einer leicht verzweifelten Lehrerin dort erfahren.
14 % getestete Schüler..muss man erstmal sacken lassen. Sicher, in Gymnasien und anderen Schulen ist die Quote besser, bei vielleicht 50%. Aber es gibt diese strukturschwachen Regionen. Und nicht zu knapp.
Es gäbe da eine Lösung, oder zumindest mal Daumenschrauben, die man an- und dann enger ziehen könnte. Und die heißt Testpflicht, oder auch, für Liberale das Unwort der Jahrhunderte 20 und 21: Zwang. Und zwar so einfach: Macht den Test zuhause, sonst kommen eure Kinder nicht in die Schule. Fertig aus.
Das pälzer Gemüt in der LH MZ sagt derweil: „jo alla“, halb so wild, und holt die Gerechtigkeitsaxt heraus, die da heißt: Es ist doch ungerecht den Kindern gegenüber, sie dann vom Unterricht auszuschließen. Jo alla, sag ich, stimmt schon, ist aber noch ungerechter den getesteten Kindern und Lehrern gegenüber, die sich dann täglich in Gefahr begeben, weil ihr keinen Bock auf einen Test habt. Die Debatte jedenfalls läuft, und die üblichen Stimmen in den üblichen Zeitungen heben mahnend den Finger und sagen, dass ein Appell an die Vernunft doch besser als jeder Zwang sei.
Tatsächlich?! Es gibt so einiges in den letzten Jahren und Jahrzehnten, was mit Appellen im ewigen Treibsand des Vergessens unterging. Vor allem aber gilt: Hatte sich mal die Zornesröte nach den eingeführten Zwängen (hier: Verboten durch Gesetze) gelegt, war alles halb so wild. Denken wir mal an das unfassbare, jegliche Freiheit jeglicher Bierzelt- und Gastrobesucher beschneidende Rauchverbot anno 2010 oder so was. Da war doch tatsächlich von den FDP-Jungs in Bayern folgender Satz zu lesen: „Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie, die damit einsetzende Ausgrenzung der Gruppe der Raucher aus dem öffentlichen Raum birgt die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung.“ Ajo, sagt der Pälzer, schon damals also waren wir als Gesellschaft zutiefst gespalten. Das Standard-Argument (obwohl es keins ist) gegen so ziemlich alles. Man könnte heulen, müsste man nicht so sehr lachen.
So stehen wir also in einer Pandemie-Situation, wie stark und schlimm genau sie auch sein mag. Jedenfalls dürfen wir abends nicht mehr raus, nur noch eine Person eines fremden Haushalts treffen (warum nicht zwei oder fünf des gleichen Haushalts, wo ist der Unterschied?!), draußen kein Bier oder Schorle petzen, und so weiter und so fort. Dann soll das Stäbchen im Zinken zu viel des Zwangs sein? Wenn es statt 14% mit Zwang 75% machen, wäre das schon mal ein Anfang. Und vielleicht ein Anfang vom Ende dieser ganzen Lockdownerei. Also, Nasenflügel auf und Stäbchen rein. Überall. Und her mit unseren Grundrechten!
David Emling
Landswinda Vilare, 30. Mai 2111
Lieber Philipp,
morgen öffnen die Staatsarchive ihre Tresore zur Coronakrise von 2020. Aus Deinem Nachlass weiß ich, wie Dich diese Krise damals umgetrieben hat. Die fast wöchentlich wechselnden Informationen über das, was damals Covid19 hieß, haben Dich offensichtlich immer wieder sehr beschäftigt. Wie konntest Du das damals nur aushalten? Ich schreibe Dir heute, am Tag vor der Wahrheit, um mich Deiner und Deiner Generation zu erinnern, um noch einmal mir vor Augen zu führen, was vor fast hundert Jahren alles an Wahrheiten, Gerüchten, Machtspielen und platten Lügen auf Euch prasselte.
Da ist zuerst die bis heute offizielle Geschichtsschreibung, nach der ein todbringender Virus innerhalb weniger Monate sich über tausende von Kilometern verbreitete. Er wütete anfänglich sehr unterschiedlich; in München, dort schnell lokalisiert und eingedämmt, in Bergamo dagegen übel wütend, von Wuhan kennt man nur Ungefähres. Dann durchdrang er alle Welt. In Deiner Heimat, damals Europäische Union, heute Teil von Palatina Occidentalis, traf er auf ein vernachlässigtes, ökonomisch ausgerichtetes Gesundheitssystem, das mit voller Wucht getroffen wurde und sich seitdem nicht mehr erholt hat, sondern gemeinwirtschaftlich betrieben werden muss.
Viele, auch Du, wollten einen klaren Kopf bewahren, alles tun, was möglich sei um eine Katastrophe abzuwenden. Die Bürokratie versuchte ihr Bestes, die Politik hörte auf manche Wissenschaftlers, Ihr Menschen ward damals enorm geduldig.
Von heute auf morgen habt Ihr Euer Leben auf den Kopf gestellt. Ihr habt privat auf fast alles, was das Leben wert macht, verzichtet, um schlecht geführte Pensionistenheime und die große Wirtschaft zu schützen. Immer wieder hat man Euch gesagt „haltet durch, in ein paar Wochen ist alles vorbei“. Im letzten großen Krieg haben das die Leute „Durchhalteparolen“ genannt. Wie gebannt habt Ihr auf die täglichen Nachrichten des Robert-Koch-Instituts gestarrt. Gehofft habt Ihr, dass die Zahlen irgendwie der Wirklichkeit entsprechen, weil Ihr sonst verrückt geworden wärt. Welle auf Welle habt Ihr durchgestanden, ohne dass klar war, wo genau der Virus zuschlug (morgen werden auch diese Daten öffentlich). Und dann, am 22. September 2021, als in Deiner Heimat der Notstand offiziell für beendet erklärt wurde (ein halbes Jahr nach anderen Ländern), habt Ihr nicht einmal mehr die Kraft zum Feiern gehabt.
Das ist die eine Geschichte, die offizielle.
Parallel dazu wurde alles, was möglich ist erfunden, auch, dass es den Virus nicht gab. Das habt Ihr locker als Lüge weggeschoben. Andere Narrative haben Euch mehr zu schaffen gemacht. Etwa das Narrativ der relativen Harmlosigkeit des Virus, weil bestimmte Rechnungen keine höhere Sterblichkeit ergaben. Dass das Maskentragen sogar die Grippe praktisch zum Erliegen gebracht hatte. Andere behaupteten, die hohe Sterblichkeit der künstlich Beatmeten sei auf Behandlungsfehler zurückzuführen, weil viel zu viele an die Beatmungsgeräte angeschlossen worden seien und diese seien reine Bakterienschleudern. Andere bezweifelten die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der offiziellen Daten. Sie seien so schlecht erhoben worden, dass selbst der Papierkorb zu schade für sie gewesen sei.
Das alles habt Ihr weggesteckt, weiter gemacht, nicht die Bazooka ausgepackt, nicht die radikalen Parteien gewählt, nicht den großen Populisten auf den Leim gegangen (wohl aber den kleinen). Hut ab, Respekt. Ich weiß nicht, wie ich mich an Eurer Stelle verhalten hätte. Wahrscheinlich hätte ich revoltiert, aber das ist im Nachhinein leicht gesagt (vor allem unter der gütigen Herrschaft von Miranda III, Kaiserin von Palatina Occidentalis).
Lieber Philipp, ich hoffe, morgen wird das offizielle Narrativ bestätigt. Alles andere wäre sehr, sehr traurig. Hoffen wir.
In liebevoller Erinnerung
Dein Urgroßneffe
Heinrich Philipp
Bei Maybritt Illner knallte gestern Naturwissenschaft auf Soziologie. Und zwar ganz leise und zivilisiert:
Der Ministerpräsident des kleinen Saarlandes (2 500 qkm, als Vergleich Bayern 70 000 qkm) erläuterte das dortige Vorgehen mit Testen, Impfen, strikten Vorgaben auch für Treffen im Privaten und intensiver wissenschaftlicher Begleitung. Da intervenierte Prof. Melanie Brinkmann, Virologin, „… und für eine wissenschaftliche Begleitung braucht man eine Kontrollgruppe..“. Peng das war der Knall, das große Missverständnis der naturwissenschaftlich orientierten Virologen, Mediziner und Politiker wie Kanzlerin Merkel oder Bürgermeister Tschentscher über die Wissenschaft von der Gesellschaft, genannt Soziologie.
Für Naturwissenschaftler geht Wissenschaft nur als Experiment, wo eine Mausgruppe Aspirin erhält und eine andere Gruppe weiße Placebos. Die Placebofresser sind die sogenannte Kontrollgruppe. Die benötigt man, um eindeutig (kausal) die Wirkung von Aspirin auf die Schmerzempfindlichkeit zu überprüfen. Damit keine Beeinflussung durch die fütternden Pfleger möglich ist, wissen auch diese nicht, ob sie gerade Aspirin oder Placebo verfüttern. Das nennt man dann „Doppelblindstudie“, weder der Behandler noch der Patient, weiß was in der Pille tatsächlich enthalten ist. Darauf beruht die ganze pharmazeutische Wirksamkeitsforschung (Dank an die hunderttausende Freiwilligen, die das mitmachen – ohne die hätten wir keine Impfstoffe heute).
Was für Prof. Brinkmann völlig normal ist, bedeutete in der soziologischen Wirklichkeit, dass Herr Ministerpräsident Hans Landkreise zufällig in „Behandelte“ und andere in „Placebo“ (nicht behandelte) einteilte. „Behandelt“ bedeutete, dass z.B. die Außengastronomie in Landkreis A für 14 Tage öffnet und in Landkreis B nicht. Danach vergleicht man die Infektionszahlen. Steigt im behandelten Landkreis die Infektion, dann glaubt man zu wissen, daran sei die Außengastronomie schuld.
Mindestens zwei Gründe stehen dieser schlichten Denkweise entgegen. Erstens ist es ein starker Glaubenssatz, dass zwischen den beiden Landkreisen nur der eine Faktor „Außengastronomie“ an der Infektionslage beteiligt sei. Was, wenn die Zahl der offenen Kitas unterschiedlich ist oder es mehr Altersheime gibt oder weniger geimpft wurde? Die Zahl lässt sich lange fortsetzen. Kurz, in einer lebendigen menschlichen Gesellschaft gibt es keine guten Experimentalbedingungen, da muss was anderes her (dazu hilft dann der Nagellack). Zweitens sind Menschen keine Versuchsmäuse (und für die gibt es immerhin eine gute Lobby). Es geht einfach nicht, mir etwas alleine für den „guten“ wissenschaftlichen Zweck zwangsweise vorzuenthalten. Gott schütze unsere Verfassung! Und die uns vor blauäugigen Wissenschaftlern.
Nun wird es aber dringend Zeit für den Nagellack. Helge Pross, früh verstorbene, empirische Sozialforscherin der Frankfurter Schule pflegte in den 70er Jahren mit sanftem Lächeln einen bombenfesten statistischen Zusammenhang aus den frühen 60ern vorzutragen: damals, welche Überraschung, korrelierte (hing zusammen) die Nutzung von Nagellack mit der Intelligenz von Frauen. Was? Wie bitte? Nein, nicht aufhören zu lesen oder anfangen sich aufzuregen. Helge Pross war es bitterernst, diesen Unfug zu entlarven, weil wir damals und heute an viel weniger auffälligen Stellen auf solche Zusammenhänge hereinfallen. Die Lösung ist verbunden mit einem Grundproblem der empirischen Sozialforschung, den sogenannten „unbeobachteten Drittvariablen“. In unserem Beispiel haben wir zwei beobachtete Merkmale (Variablen): Intelligenz von Frauen und Nutzung von Nagellack. Was nicht beobachtet oder erfragt wurde war, warum und wann Frauen Nagellack auflegten. Sobald man dies tat war klar, dass bestimmte berufliche Umfelder damals eine feste Kleiderordnung hatten. Je höher die Ausbildungsanforderung für den Beruf war, desto mehr war Nagellack Teil der Berufskleidung. Zwischen Bildung oder Ausbildung und Intelligenz gibt es einen nachvollziehbaren Zusammenhang. Bingo, was man gemessen hat, war eine soziale Norm „Berufskleidung“ und nicht die Wirkung von Intelligenz auf Nagellack oder umgekehrt. Die andere Geschichte dazu ist die vom Zusammenhang von Storchen- und Geburtenzahl, auch Schnee von gestern?
Zurück ins Saarland, es ist offensichtlich nicht möglich in einer Studie alle möglichen oder unmöglichen Merkmale zu erfassen. Und selbst wenn man die Zahl der Merkmale in die Höhe treibt, kommt ein anderer Hauptsatz der statistischen Forschung in die Quere: wenn man 100 Merkmale miteinander korrellationsstatistisch betrachtet finden sich etwa 25 rechnerische „Zusammenhänge“, die aber dem reinen Zufall geschuldet sind. Praktisch statistischer Müll, der sich überall einschleicht.
Was machen wir nun? Ist Sozialforschung dann noch Wissenschaft, wenn sie vom Müll oder unendlich vielen Drittvariablen verschmutzt wird?
Aber ja, und jetzt wird es auch für Frau Brinkmann spannend, denn auch sie arbeitet mit statistischen Auswertungsverfahren bei ihren Experimenten. Und auch für sie gilt das Drittvariablenproblem, weil sie immer nur einen kleinen Satz von Merkmalen beobachten kann (kontrollieren kann). Und genauso gilt der Satz von den 25% zufällig positiven Ergebnissen. Also im Prinzip kein Deut einfacher als bei den Sozialforschern. Was tun?
Wer die Klassiker der statistischen Analyse liest, stößt auf eine überraschende Aussage: ohne Theorie ist jede statistische Analyse sinnlos. Theorie heißt, ich weiß zumindest in welcher Richtung ich suche. Dazu überlege ich mir, was ich ausschließen möchte, denn nach Popper kann ich nur ausschließen, dass etwas so und so ist. Wenn ich auf Grund einer statistischen Analyse sage, Corona sei ansteckend, dann habe ich tatsächlich festgestellt, dass es nicht „nichtansteckend“ ist. Klingt um die Ecke gedacht, man kann sich aber daran gewöhnen und es funktioniert gut.
Zurück zum Nagellack und dem, was Ministerpräsident Hans oder Tübingen, Alsfeld usw. machen: ihre Theorie ist: wenn sich Menschen treffen, die momentan kein Covid19 haben, dann können sie sich untereinander nicht anstecken. Dafür wird vor dem Treffen auf Covid19 getestet. Die Folgerung daraus ist, dass alle derartigen covid19freien Treffen keinerlei Wirkung auf das Infektionsgeschehen haben können. Das ist eine solide theoretische Annahme. Wenn die Zahl der Infektionen dann weiterhin zunimmt, kann das andere Gründe haben. Zum Beispiel , wenn 5% aller Getesteten infiziert sind, steigt die Zahl der „entdeckten“ Infektionen automatisch mit der Zahl der Tests (das ist bekannt). Oder, es gibt unbeobachtete Drittvariablen wie die ungeschützten Treffen bei der Arbeit, die das Infektionsgeschehen treiben und man deshalb die steigenden Infektionszahlen nicht dem Saarland, Tübingen, Alsfeld etc. in die Schuhe schieben kann, sondern den dritten, bisher nicht berücksichtigten Merkmalen. Wer allerdings wie Bürgermeister Tschentscher anderes behauptet liegt falsch oder er glaubt zu wissen, dass die Tests so schlecht sind, dass man sie nicht verwenden sollte. Das sagt er aber nicht. Das sagt auch Frau Brinkmann nicht.
Was lernen wir daraus? Menschen sind keine Mäuse, Drittvariablen sind die Pest und nur eine gescheite theoretische Überlegung macht Statistik sinnvoll.
Peter Mohler
Ein Jahr Pandemie, für viele Zeit und Anlass, „zurückzublicken“. (Warum eigentlich nach genau einem Jahr? So wie die berühmten 100 Tage im Amt einer Politikerin. Als ob man in einer so kurzen Zeit wirklich etwas verstehen, gar verändern könnte…). Keine Angst, ich will das hier nicht tun, aber eines dann doch sagen. Die meisten Zusammenfassungen beginnen mit einem vermeintlichen Allgemeinplatz, den ich mir nur ganz kurz genauer anschauen muss (ganz kurz, weil ich schon bald Philip Frankfurter corona-konform beim Italiener treffe und bitten muss, bei uns zu bleiben).
Ein Jahr Pandemie liegt hinter uns, ein Jahr im Ausnahmezustand.
Diese Gleichsetzung beschäftigt mich, denn der Zeitraum „ein Jahr“ und der Begriff „Ausnahmezustand“ wollen einfach nicht zusammengehen in meinem Köpfchen. Und ist nicht genau das auch das Problem an der ganzen Sache?! Dass wir so tun, als wäre das ein kurzer und schlimmer Ausnahmezustand, der bald schon zu Ende geht und danach alles wieder „normal“ ist?! Ich komme mir ja fast wie auf Armin Laschets „Brücke“ ins Nirgendwo vor, die den Lockdown da unten überbrücken soll. Oder noch besser, wie in der SPD, wo viele immer noch meinen, die 16% seien eine Talsohle, die man durchschreiten müsse, aber schon bald wieder zu den alten Zuständen zurückkehre. Wo nehmen die Leute nur diese Annahmen her? Ich glaube ich weiß es: Angst. Angst und Unsicherheit, was stattdessen kommt, wenn das Altbekannte einfach wegbleibt.
Ich glaube eher, dass wir gerade in der neuen Wirklichkeit angekommen sind. Sicher, irgendwann sind wir geimpft, und tatsächlich wird die Lockdownerei (schönes Wort finde ich) ein Ende haben. Aber vieles, was geschehen ist, wird bleiben. Kleine Verletzungen im Privaten, dass man sich mit Familie und Freunden uneinig ist übers Impfen, oder den Gang in den Kindergarten (oder eben nicht), mit wie vielen man den (vielleicht letzten) Geburtstag der Oma feiern kann/sollte/darf/nicht darf. Und natürlich im Großen: Wie sich eine letzte Volkspartei selber zerlegt hat, einen schlechten, sehr schlechten Vorsitzenden wählte, demontierte, wieder mal fast wie in der SPD. Wie wir erlebt haben, dass grundlegende Reflexionsmechanismen in der Politik nicht mehr (oder noch nie?!) da waren: das, was man tut, erklären zu können, Gründe angeben, warum man so handelt wie man handelt. Und noch vieles mehr. Ein Satz, ich kann es kaum glauben, von Jens Spahn, der sicher zutrifft, war: Wir werden uns viel verzeihen müssen. Richtig. Aber dann doch nicht alles Herr Spahn. Schauen wir, was noch kommt, mehr können wir nicht tun. Ich muss jetzt auch, Sie wissen, der Frankfurter…
Nur noch eines: Irgendwann werden wir auch verstehen, dass Frau K-K’s „Freiwilligendienst im Heimatschutz“ nur ein Chiffre für den jämmerlichen Versuch ist, nach rechts Abgewanderte wieder in die CDU zu bringen. Denn die Leute können weder das Eine noch das Andere gescheit. Ciao, und guten Appetit an alle!
David Emling
Als ich einmal in einem Artikel schrieb, ein analysierter Text habe „2434 Worte“ enthalten, gab mir ein sehr wohlmeinder Kollege den Hinweis „Gott spricht Worte“, mein Text enthalte dagegen „Wörter“. Recht hatte er und hat noch heute Recht. Aber wir beide haben die Rechnung ohne Detlev Grün*, RTL und Konsorten beziehungsweise der Individualisierungswelle gemacht. Die abgehobene Sprechweise der „Worte“ gegenüber den angebrachten „Wörtern“ hat es sich in unserer Alltagssprache gemütlich gemacht. Hören Sie mal anderen Leuten zu: man geht zu Tisch, nimmt eine Kleinigkeit zu sich, gönnt sich einen edlen Tropfen und hat kleines Geld ausgegeben, anstelle von Mittagspause machen, etwas essen, ein Glas Wein genießen und wenig bezahlen. Hänschen Müller berichtet in Grüns Worten über seine erste Speckfalte als sei es ein königliches Leiden. Le roi c‘ est moi oder so, wie der gebildete Pfälzer sagt. Jeder ist sein kleiner König im Traumland: jeder macht Traumurlaub, Traumhochzeit oder Traumnarkose. Wann hatten Sie zuletzt mal herzlich gelacht? Ich würde sagen wollen, das sei schon lange her und da bin ich ganz bei Ihnen, wobei ich nicht weiß, ob Sie ganz bei Sinnen sind und ich auch nicht.
Philipp Frankfurter
*Detlev Grün ist Hauptkommissar in der ZDF Serie „Heldt“ und ein Wunder der abgehobenen Stelzsprache
Habe ich mich doch vertippt. „Gut ernährt…“ geschrieben. Nein, das war ein uralter Gedanke, damals, sehr lange her, konnte man so etwas sagen. „Gesund“ muss das Magenfüllen heute sein. Damit kann man alles Übel wegessen. Wenn dann noch Sport dazu kommt, kann ja nichts mehr passieren. Oder? Und falls doch etwas passiert, dann heißt es „gesund ernährt und treibt Sport, aber…“. Egal, ob die Knochen gebrochen sind, das Bindegewebe altert, Zellen mutieren, oder der graue Star die Linse trübt.
Ganz eindeutig besteht hier ein statistischer Zusammenhang mit der Häufigkeit des Kirchganges. Die rapide Abnahme des Kirchganges geht einher mit rasant steigender Unwirksamkeit gesunder Ernährung und unvernünftigen Sportes. Ohne der Kirche Segen geht halt nichts. Und dabei haben wir geglaubt, die alten Vorstellungen eines kirchlich gottgefälligen Lebens seien ein Aberglaube (bitte notieren Sie den Unterschied zwischen gottgefälligem Leben und kirchenamtlich gottgefälligem Leben). Wenn das alte Kirchenamtliche Hokuspokus war, warum korreliert es dann so stark mit dem gesunden Neuen? Ist das vielleicht auch nur Hokuspokus, auch bekannt als Konsumterror? Oder hat sich der Verfasser vielleicht nicht gesund ernährt?
Peter Mohler
Liebe Administratoren,
seit Monaten lese ich Eure Interventionen, Bemerkungen und Analysen. Gelegentlich werfe ich spitze Bemerkungen ein, schreibe mir die Finger wund. Corona hier, Corona da. Endlich ein Lichtblick, Tübinger Freitesten (von Drosten schon 2019 propagiert), hurra! Kaffe auf dem Marktplatz, Spaghetti alio e olio auf dem kleinen Platz. Alles gut. Denkste, sagt die Frau Kanzlerin (ab sofort trinke ich von Mohrbacher nur noch die alte Kanzlermischung): Testen und Bummeln sei nicht die Antwort. So eine Gemeinheit; meinen Kaffe und meine Spaghetti als „schlendernd, ohne Ziel [durch die Straßen] spazieren gehen“ herabzuwürdigen. Obendrauf noch die Unverschämtheit mir zu unterstellen, ich könnte nicht auf zehn zählen. Weiß ich doch genau, was passiert wenn zehn Coronafreie (der neue deutsche Adel) sich treffen, nämlich alles mögliche nur keine Ansteckung mit Covid19. Wer hat hier den Verstand verloren: die Kanzlerin mit Kanzleramt oder ich ganz alleine? Ich habe es so satt mir die Finger wegen dieser indolenten Blasenbewohner wund zu schreiben. Deshalb, liebe Administratoren, nehme ich mir meinen Freitest, gehe auf den Marktplatz, hebe einen Schoppen auf den Pfälzer Verstand und vergesse fortan Corona, die Kanzlerin und die berliner Seifenblasenoper.
Macht’s gut Ihr zwei
Philipp Frankfurter
Lieber Philipp,
wir stellen einen ganz, ganz schweren Fall von Coronitis bei Dir fest. Schau Dich doch um, was sagen die Kommentatoren von rechts nach links? Es lebe Tübingen, es lebe die Vernunft der Freiheit! Du bist in guter Gesellschaft! Was heute Modellstädte oder Pfälzische Notlösungen sind, ist morgen normal. Übrigens, brauchen wir Deine scharfen Spitzen, für den Fall, dass alle geimpft sind oder sein könnten. Dann müsste sich der Staat eigentlich blitzartig aus unserem Privatleben verabschieden. Er hätte seine Schuldigkeit getan und könnte gehen. Glaubst Du er macht das? Dieser machtgeile Moloch? Oder müssen wir Ihn halt doch wie bei Shakespeare meucheln?
Deshalb, gib jetzt nicht auf, halte durch, spätestens im September kannst Du Merkel für teures Geld als Festrednerin buchen und für Dich Bauchreden lassen.
Bis hoffentlich ganz, ganz bald
David und Peter
Der SPIEGEL, Deutschlands selbsternannte führende Nachrichtenseite, ist ein Hort der Ahnungslosigkeit und das nicht wegen der Relotiusaffäre. Nein, die ahnungslosen Redakteure vertrauen bei Wahlen auf Umfragen, die CICERO schon 2019 als schädlich für unsere Demokratie bezeichnete.*
Nun habe ich im November des letzen Jahres einen Einblick in die Suppenküche der Wahlumfragen gegeben.** Wie jeder weiß, ist Suppenkochen keine Wissenschaft, sondern eine praktische Tätigkeit. Genauso ist das mit der Umfrageforschung. Sie ist, wenn gelungen, eine herausragende Ingenieursleistung, welche die Kritik der Kathedermethodiker blass aussehen lässt. Aber um die geht es heute nicht.
Hier geht es um die „Geiz ist geil“ Umfragen, über die CICERO zu recht herzieht. Aus aktuellem Anlass, wegen der morgigen Wahlen dazu das Wesentliche, warum der Spiegel ein Tal der Ahnungslosen ist.
Dazu ein kurzer Blick auf die Methodik der Spiegelumfragen***:
„Das Meinungsforschungsinstitut Civey arbeitet mit einem mehrstufigen voll automatisierten Verfahren. Alle repräsentativen Echtzeitumfragen werden in einem deutschlandweiten Netzwerk aus mehr als 20.000 Websites ausgespielt (»Riversampling«), es werden also nicht nur Nutzer des SPIEGEL befragt. Jeder kann online an den Befragungen teilnehmen und wird mit seinen Antworten im repräsentativen Ergebnis berücksichtigt, sofern er sich registriert hat. Aus diesen Nutzern zieht Civey eine quotierte Stichprobe, die sicherstellt, dass sie beispielsweise in den Merkmalen Alter, Geschlecht und Bevölkerungsdichte der Grundgesamtheit entspricht. In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse schließlich nach weiteren soziodemografischen Faktoren und Wertehaltungen der Abstimmenden gewichtet, um Verzerrungen zu korrigieren und Manipulationen zu verhindern.“
Halten wir fest: wer immer auf irgendeiner Website auf die Civey-Werbung stößt, kann sich registrieren und an Umfragen teilnehmen. Civey bastelt sich zuvor ein kleines Modell der deutschen Gesellschaft an Hand von Alter, Geschlecht (wie vielen Geschlechtern?), Stadt-Land (Bevölkerungsdichte) usw. Wer da nicht hineinpasst, kommt nicht in die Auswertung (dessen Stimme wird weggeworfen). Ein zweites Modell, das man nur erahnen kann, nimmt sich wahrscheinlich alte Umfragen vor und schaut dort nach Zusammenhängen zwischen Einstellungen (Civey nennt das Wertvorstellungen, was ein Graus) und Verhalten. Wenn also das Wählen der FDP irgendwie mit Freude am Denken korreliert (statistisch zusammenhängen könnte), oder das Wählen der SPD mit Freude am Wein, das der CDU mit Freude am Pfeffer, das der Grünen mit Badefreuden, der Linken mit Lippenstiftnutzung oder ähnlichem Unsinn der aus den den Daten herausploppt, schlägt das Civey Modell „automatisch“ zu. Wobei „automatisch“ schlicht ein Synonym für „Computerprogramm“ ist, das Menschen gemacht haben. Mit dem „Zuschlagen“ ist die wundersame Vermehrung oder Verminderung einer Person gemeint. Wenn eine Person 1 ist, dann sind zwei Personen 2. Soweit so gut. Wenn jedoch in dem Menschenkonglomerat, von Civey Stichprobe genannt, zu wenige Lippenstiftnutzende mögliche Linke sind, dann werden diese rechnerisch aufgeblasen: sie sind dann nicht mehr 1 sondern etwa 1,3. Zugleich werden die weinseligen SPDler reduziert auf, sagen wir 0,9, weil es von denen zu viele gibt. Das wird, wie Sie sich vorstellen können, ein ziemlich undurchsichtiges rauf- und runterrechnen, wenn Sie an die anderen Parteien denken. Irgendwann ist dann aber Schluss damit und es stehen da dann irgendwelche Zahlen auf dem Bildschirm.
Und da wird es dann richtig lustig. Der Spiegel berichtet am 10. März 2021 ein „Kopf an Kopf Rennen „ zwischen SPD und CDU in Rheinland-Pfalz (wann gab es die letzte „klare Wahl“ in Deutschland) 31% zu 30%. Aha, sagt der kleine Statistiker, das ist doch völliger Unsinn, denn „statistisch“ gesehen geht das nicht. Der berechnete Unterschied liegt doch im Unschärfebereich der Statistik, oder? Ja und Nein. Ja, wenn Civey eine sogenannte Zufallsstichprobe, besser „Wahrscheinlichkeitsstatistische Stichprobe Nach Neyman-Pearson“, gezogen hätte. Dann liesse sich ein Stichprobenfehler berechnen, der im übrigen immer wesentlich kleiner ist als die gesamte Ungenauigkeit einer Umfrage (Total Survey Error, lässt sich bingen oder googeln). Civey macht das aber nicht, wie oben ausgeführt. Civey macht eine Quotenstichprobe mit preiswertem Internetfischzug. Da kann man keinen Stichprobenfehler berechnen. Geht einfach nicht, auch wenn Civey sagt: „In unseren Grafiken ist der statistische Fehler als farbiges Intervall dargestellt.“ Wie gesagt, Geiz ist geil, aber so billig kommen die uns nicht davon.
Denn, mit Schlagwörtern wie „automatisch“, „Internet“, „viele Leute“, „statistischer Fehler“ kann man zwar Spiegelredakteuren etwas vormachen, nicht aber Ihnen, nachdem sie CICERO und das hier gelesen haben. Schade um das Geld.
Was heißt das nun für das Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg? Hier gehe ich einen Schritt zurück zur Ingenieursleistung der Umfrageforschung. Das Modell, das ich mir von Deutschland mache, beruht auf langer Erfahrung mit Wahlen, Umfragen und dem Leben in Deutschland. Erfahrung hat gelegentlich den Nachteil, dass sie blind gegen Neues macht. Das Neue ist Corona. So ein Jahr wie das letzte sprengt unsere Erfahrung. Wir wissen nicht, ob die alten Zusammenhänge von Pfeffer, Wein oder Lippenstift mit Parteien noch gelten. Das müssen wir erst noch erfahren. Weil die Computerprogramme von Civey und anderen diese neue Erfahrung noch nicht enthalten, sind sie prinzipiell falsch. Und damit sind auch die Ergebnisse der sogenannten Umfragen nur mit spitzen Fingern in feuerfesten Handschuhen anzufassen.
Wenn es morgen für die Umfragen nach Civey et al. „gut“ geht, war das reines Glück, keine Ingenieurskunst. Wenn es nicht „gut“ geht? Sie sind gewarnt. In diesem Sinne, bleiben Sie negativ.
Peter Mohler
* Thomas Perry 2019 in www.cicero.de/wirtschaft/civey-yougov-umfragen-meinungen-empirie-methoden-demokratie
** https://blog4587.eu/soziologen-welt/wer-umfragt-kann-sich-irren/
*** https://www.spiegel.de/backstage/die-methodik-hinter-den-civey-umfragen-a-b50353b3-b072-43c8-ab70-7fab20d48710
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